Bericht 10

Faszinierende Riesen aus dem Donaumoos

Vortrag zum 20-jährigen Bestehen des Wisentgeheges begeistert Publikum

 

Sie sind einst beinahe ausgestorben. Sie haben für ihre Umwelt eine enorme Bedeutung. Und dennoch sind sie für viele Menschen nach wie vor eine Unbekannte. Die Rede ist von den Wisenten, den größten Landsäugetieren Europas. Bei einem Vortrag im Haus im Moos in Kleinhohenried brachte Dr. Johannes Riedl, der fachliche Leiter des Wisentgeheges im Donaumoos, dem Publikum die Tierart näher – und begeisterte mit mancher spannenden Geschichte über die Herde.

 

Die Veranstaltung, die anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Geheges für die Öffentlichkeit stattfand, fand mit 18 Zuhörerinnen und Zuhörern zwar ein überschaubares, dafür aber sehr interessiertes Publikum, wie die Fragen der Besucher zeigten. Gleichzeitig erfuhren die Teilnehmer viel Neues über die Wisente, die seit 2003 auf den Flächen in Kleinhohenried weiden. Damit tragen die Tiere Riedl zufolge zur Biodiversität im Donaumoos bei. „Der Wisent schafft eine vielfältige Struktur, von der andere bedrohte Arten profitieren“, erklärte der Leiter des Neuburg-Schrobenhausener Veterinäramts, der das Gehege seit seiner Entstehungszeit fachlich begleitet. Beispielsweise Käfer und andere Insekten, aber auch kleine Säugetiere, nutzen seinen Worten zufolge die Weideflächen als Lebensraum. Davon würden wiederum andere Arten profitieren. Riedl nannte unter anderem den Neuntöter und den Wiedehopf, zwei seltene Vogelarten. „Die sind bei uns mittlerweile auch deshalb so selten, weil die großen Pflanzenfresser wie der Wisent so selten geworden sind.“

 

Auch diesen Aspekt der Historie klammerte der Fachmann in seinen Ausführungen nicht aus. Denn nach dem Ersten Weltkrieg war der Wisent so gut wie ausgestorben. Die Jagd habe sicherlich dazu beigetragen, so der Referent. Doch viel schwerer wog in seinen Augen die Ausbreitung der Zivilisation. „Das führte zur Isolation einzelner Populationen, die durch zunehmende Inzucht irgendwann aussterben“, so der Mediziner, der das Problem bei vielen Arten kennt. Zwar gibt es heute wieder rund 7000 Wisente in freier Wildbahn, unter anderem in Rumänien, wo der dortige WWF auch Tiere aus dem Donaumoos immer wieder auswildert. Doch in Populationen mit überlebensfähigem Bestand sind es laut dem Fachmann gerade mal 2500. Zum Vergleich: Beim stark bedrohten Spitzmaulnashorn umfassen die überlebensfähigen Herden rund 5400 Tiere, beim Breitmaulnashorn sogar etwa 20.000.

 

Beim Wisent kommt ein weiterer Aspekt dazu, den Riedl nicht unerwähnt ließ. „Denn meistens müssen wir erst mal erklären, was der Wisent überhaupt ist“, so der Experte, der nach wie vor ein so gut wie völliges Verschwinden der Art aus dem Gedächtnis der Allgemeinheit ausmacht. Dabei bevölkerten Wisente einst so gut wie den gesamten Kontinent, wie auch Höhlenmalereien zeigen. Um 1900 gab es jedoch schon nur noch zwei Restpopulationen – in Polen und im Kaukasus. Was es bedeutet hätte, wenn das größte Landsäugetier Europas komplett verschwunden wäre, erklärte der Tierarzt mit einem Vergleich: „Das wäre so, wie wenn in Afrika der Elefant ausstirbt.“

 

Im Donaumoos dient das Projekt als Beispiel dafür, wie sich der Grünlandanteil im Moor durch Beweidung erhöhen lassen kann. Rund 25 Hektar umfassen die Flächen beim Haus im Moos mittlerweile, aufgeteilt in drei Einzelgehege mit insgesamt rund 30 Tieren. Insgesamt 21 Tiere aus dem Donaumoos sind bereits ausgewildert worden, dazu kamen 34 Kühe und Stiere aus eigener Zucht, die in anderen Gehegen für eine Blutauffrischung des Bestands gesorgt haben. Es ist also ein stetes Kommen und Gehen der Tiere, eine ständige Durchmischung, die für den Erhalt der Art notwendig ist. Immerhin gehen die heute rund 10.000 Wisente auf lediglich 54 Gründertiere mit dem Genmaterial von sogar nur zwölf Tieren zurück. „Daher müssen wir aufpassen, dass die Gene dieser Gründertiere nicht verschwinden“, erläuterte Riedl die Bemühungen.

 

Im Donaumoos läuft das bisher recht erfolgreich. Heuer erwartet das Team des Donaumoos-Zweckverbands, der als Träger des Geheges fungiert, das 100. Kälbchen – sofern die Natur mitspielt. Die Herde jedenfalls machte auf die Besucherinnen und Besucher einen guten Eindruck, wie sich nach dem Vortrag zeigte. Dabei gab es die Tiere auch aus der Nähe zu sehen – dank Wisentbetreuerin Paula Fletcher, die ein paar Leckerbissen in Form von Gelben Rüben mitgebracht hatte. Da konnten auch die urigen Riesen nicht widerstehen.

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